Umsetzung Naturschutz bei Windkraftvorhaben

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Hinweise zur naturschutzrechtlichen Prüfung von Windkraft-Vorhaben durch das Dez. 45 (naturschutzrechtlicher Vollzug WEA) der Abt. 4 StALU VP

 

Durch die neuen Gesetzesänderungen werden Windkraftvorhaben artenschutzrechtlich neu bewertet und geprüft. In den folgenden Kapiteln und Dateien werden die Neuregelungen und der Umgang mit diesen erläutert. Die Erläuterungen dienen Vorhabenträger:innen und/oder Gutachter:innen zur Bearbeitung der Antragsunterlagen. Die Angaben entsprechen dem aktuellen Kenntnisstand vom März 2024.

 

Zuständigkeitswechsel

Mit dem Gesetz zur Regelung der naturschutzrechtlichen Zuständigkeit zur Beschleunigung des Ausbaus der Windenergie in M-V, welches am 25.03.2023 in Kraft getreten ist, gehen die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren für Anlagen zur Nutzung von Windenergie gemäß Anhang 1 Nr.1.6 VO über genehmigungsbedürftiger Anlagen – 4. BImSchV- sowie die naturschutzrechtlichen Entscheidungen beim Vollzug dieser Genehmigungen von den unteren Naturschutzbehörden der Landkreise an die StÄLU über. Nach Sinn und Zweck der Regelung sowie unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung, ist § 5 Nr. 4 NatSchAG M-V dahingehend ausgelegt, dass die Zuständigkeiten sowohl für Prüfung als auch alle nachfolgenden behördlichen Entscheidungen zu den Anlagen im Rahmen des Vollzugs (Umsetzung, Kontrolle, gegebenenfalls nachträgliche ändernde Entscheidungen) mit an die StÄLUs übertragen werden.

Die nicht im BImSchG-Verfahren gebündelten Naturschutzgenehmigungen wie etwa die Kabelanbindung, Zuwegung außerhalb des BImSch-Antrages und Umspannwerke, verbleiben in der Zuständigkeit der jeweiligen unteren Naturschutzbehörden der Landkreise.

§ 2 EEG:

Nach § 2 EEG dienen Windkraftvorhaben, bis die im Klimaschutzgesetz definierten Ziele erreicht sind, dem überragenden öffentlichen Interesse und der öffentlichen Sicherheit. § 2 EEG ist verfassungsrechtlich verankert, da der Ausbau von Erneuerbaren Energien dem Klimaschutzziel des Artikel 20a des Grundgesetzes sowie dem Schutz von Grundrechten vor den Gefahren des Klimawandels dient (BVerfG Entscheidung vom 24.03.21, 1 BvR 2656/18). Bis die Treibhausgas-Neutralität erreicht ist, sind WEA somit als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen einzubringen. Dies ändert aber nichts daran, dass alle öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander abzuwägen sind. Im Rahmen dieser Abwägung sind alle Belange angemessen zu berücksichtigen, WEA sind hierbei aber als vorrangiger Belang einzubringen. 

 

Umstellung auf § 45b BNatSchG:

Das Vierte Gesetz zur Änderung des BNatSchG (BGBl. I, Nr. 28, S. 1362) ist am 29.07.2022 in Kraft getreten. Somit besteht die Möglichkeit nach § 74 Abs. 4-6 BNatSchG, Vorhaben nach den neuen Regelungen zu errichten. Neuanträge ab dem 01.02.2024 laufen automatisch ohne Antrag auf Umstellung des:der Vorhabenträger:in nach § 45b BNatSchG. Für offene Vorhaben die vor dem 01.02.2024 eingereicht worden sind, besteht die Möglichkeit des Umstellens auf die neue Gesetzgebung mit Hilfe eines formlosen Antrages (§ 74 Abs. 5 BNatSchG). Die naturschutzfachlichen Antragsunterlagen sind dementsprechend anzupassen (siehe Handout).

§ 45b BNatSchG gilt nur für das Tötungs- und Verletzungsrisiko. Die anderen Tatbestände des § 44 BNatSchG (Schädigung und Störung) werden somit noch nach Verwaltungsvorschrift (Artenschutzrechtliche Arbeits- und Beurteilungshilfe für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen 2016) des Landes M-V geprüft und bewertet (vgl. BMUV 2023). Das LUNG M-V arbeitet zurzeit an einer aktualisierten Fassung der AAB-WEA. Bis dahin wird die AAB-WEA Teil Vögel und Teil Fledermäuse von 2016 für die Prüfung zugrunde gelegt.

 

Abschaltung bei landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsereignissen

Die Maßnahme „Abschaltung bei landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsereignissen“ ist nun lt. §45b Anlage 1 Abschnitt 2 BNatSchG eine alleinstehende Maßnahme die artspezifisch angeordnet werden kann.

Die Abschaltmaßnahmen sind ab Beginn des Bewirtschaftungsereignisses vorzunehmen. Dies setzt eine direkte Kommunikation zwischen Landwirt:in und Windparkbetreibenden voraus, sofern diese nicht dieselbe Person ist.

Werden Bewirtschaftungsereignisse durch die Windparkbetreibenden selbst durchgeführt, teilen diese die Maßnahmen spätestens mit Maßnahmenbeginn dem StALU VP, Dez. 45 mit. Werden die Windparkbetreibenden von Landwirt:innen informiert, ist die Information mit dem Beginn des Bewirtschaftungsereignisses an die Naturschutzbehörde weiterzuleiten (telefonisch/via E-Mail). Des Weiteren ist die Naturschutzbehörde unverzüglich über das Ende des Bewirtschaftungsereignisses zu informieren. Die tatsächlich vorgenommenen Abschaltungen sind mit einem entsprechenden Abschaltprotokoll zu belegen.

Die Windparkbetreibenden haben dem StALU VP, Dez.45 spätestens bis zur Inbetriebnahme eine Erklärung vorzulegen, dass (durch Vertrag o. ä.) sichergestellt wurde, die zur Umsetzung der Auflage nötigen Informationen rechtzeitig, d. h. vor Beginn der landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsereignisse, zur Verfügung gestellt zu bekommen.

Alternativ zu den Informations- und Mitteilungspflichten kann auf Antrag des Genehmigungsinhabers auch eine Abschaltung mittels kamerabasiertem System zur Erkennung landwirtschaftlicher Bodenereignisse auf den betroffenen Flurstücken umgesetzt werden. Der Einsatz eines solchen Systems steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung des StALU VP, insbesondere der Entscheidung über die Wirksamkeit des jeweiligen Systems im Einzelfall.

Für den Fall, dass die Maßnahme nicht umgesetzt wird, behält sich das StALU VP als zuständige Naturschutzbehörde für Entscheidungen im Rahmen von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren gem. § 5 Nr. 4 NatSchAG M-V vor, einen Auflagenvorbehalt in die Genehmigung zu integrieren.

 

Automatische Kollisionssysteme (Vögel)

Nach derzeitigem Stand der Wissenschaft ist das automatische Kollisionssystem „IdentiFlight“ für die Art Rotmilan und Seeadler nachweislich wirksam. Auch wenn in der AAB WEA M-V Teil Vögel (2016), eine solche Maßnahme noch nicht berücksichtigt wird, wird diese im Rahmen der 4ten Novellierung des BNatSchG im Maßnahmenkatalog aufgeführt. Lt. KNE besteht bei IdentiFlight eine Erfassungs- und Reaktionsreichweite. Für die Arten müssen somit trotzdem ein Mindestabstand vom Horst zur WEA eingehalten werden, damit die WEA rechtzeitig automatisch in den Trudelbetrieb geschalten werden. Eine ausführliche Konzeptbeschreibung sowie Details zur Umsetzung sind vorab mit dem StALU VP, Dezernat 45 abzustimmen.

Bei Ausfall des AKS sowie unter allen sonstigen Umständen, die den bestimmungsgemäßen AKS-Betrieb im vorgenannten Zeitraum verhindern, sind die WEA unverzüglich bis zur Wiederaufnahme des Systems entsprechend einer phänologiebedingten Abschaltung abzuschalten. Die AKS- und Anlagenabschaltungen sind zu protokollieren und dem StALU VP, Dezernat 45 für das jeweilige Betriebsjahr zu übermitteln.

 

Für alle anderen kollisionsgefährdeten Vogelarten gilt Folgendes:

Eine Zustimmung kann nur unter der Voraussetzung erfolgen, dass das AKS auch durch eine von der Bundesregierung anerkannte Zertifizierungsstelle als für den nachweislich wirksamen, bestimmungsgemäßen Einsatz anerkannt gilt und seine Vermeidungswirksamkeit am Standort im Testbetrieb nachweist.

 

Abschaltprotokolle Fledermäusen

Die pauschalen und optimierten Fledermausabschaltzeiten an Windkraftanlagen werden mithilfe des ProBat Tools „proBat-Inspector“ von der Behörde geprüft. Dies ermöglicht eine schnellere und genauere Aufbereitung und Prüfung der umfangreichen Betriebsdaten. Die jährlichen Abschaltzeitprotokolle sind wie folgt einzureichen:

Für jede betroffene WEA sind vom Vorhabenträger die Betriebsdaten (Rohdaten) der 10-Minuten-Intervalle (SCADA-Format) im gesamten Abschaltzeitraum in digitaler Form als Excel oder csv-Datei bis zum 30.11. des Abschaltjahres vorzulegen.

Für jede betroffene WEA und für jedes Jahr muss eine separate Excel-Tabelle eingereicht werden. Nicht zulässig sind verschiedene WEA und/oder verschiedene Jahre in einer Excel Tabelle oder auf verschiedenen Tabellen-Blättern innerhalb einer Excel Tabelle, da eine Prüfung solcher Daten mit ProBat nicht möglich ist.

Folgende Parameter müssen in der Excel-Datei enthalten sein:

- Zeitstempel inkl. Zeitzone (nach ISO 8601 Bsp. 2022-04-07 11:20 + 00:00 oder separate Angabe der Zeitzone bei Datenübermittlung)

- Angabe zum Zeitstempel (ob der Zeitstempel der Wetterdaten den Anfang oder das Ende des 10-min-Intervalls widerspiegelt)

- mittlere Windgeschwindigkeit (m/s)

- mittlere Gondelaußentemperatur (°C)

- mittlere Rotationsgeschwindigkeit (U/min)

- mittlere Leistung (kW)

- ggf. mittlere Niederschlagsintensität (mm/min oder mm/h).

Auch nach §45b BNatSchG und §6 WindBG ist die Umsetzung eines 2-jährigen Gondelmonitorings freiwillig (vgl.BMUV 2023). Durch das Gondelmonitoring können pauschale Abschaltzeiten an ortsspezifische Gegebenheiten, an die Aktivität in Rotorhöhe, an die witterungsbedingte Aktivität am einzelnen Standort und an das lokale Artenspektrum nach der Errichtung der Anlage angepasst werden. Die Anpassung der pauschalen Abschaltzeiten hin zu optimalen ist nicht nur für den Fledermausschutz essentiell, sondern auch aus rein wirtschaftlicher Sicht für die WEA-betreibende Person von großem Interesse. Falls ein Gondelmonitoring durchgeführt wird, ist lt. §6 WindBG die Anpassung der Abschaltzeiten aufgrund der Ergebnisse des Monitorings Pflicht.

 

Moorstandorte

In Deutschland stammen derzeit knapp 7 % der Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen, 53 Mio. Tonnen CO2-Äq.) (UBA 2021) von entwässerten organischen Böden. Moorböden nehmen in Mecklenburg-Vorpommern 12 % der Landesfläche ein (UBA 2021). In Mecklenburg-Vorpommern sind sie die größte Einzelquelle von THG-Emissionen und emittieren mehr als die Sektoren Energie und Industrie zusammen (Hirschelmann et al. 2020). Im Entwurf des geplanten Landes-Klimaschutzgesetzes wird aufgeführt, dass die Klimaziele beim Moorschutz dem überragenden öffentlichen Interesse dienen (Bugiel, 2023; Vortrag 5. Greiflswalder Gespräch).

Moorgebiete (= geschütztes Biotop) sind zzgl. eines 20-m-Puffers von jeglichen baulichen Maßnahmen freizuhalten, da durch den Bau und durch Wartungen irreversible Schädigungen des Moorkörpers entstehen können, indem die quellsumpfigen Strukturen des tieferen Moorkörpers dauerhaft zerstört bzw. beeinträchtigt werden. Durch die steigende Moordegradation kann davon ausgegangen werden, dass klimarelevante Gase freigesetzt werden. Dies würde dem Klimaschutz, dem die Anlage dienen soll, entgegenstehen, da das Moor dann zwischen 20 und 40 Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr und Hektar freisetzen würde (HÖPER 2007). Aus Gründen des Klimaschutzes sind entwässerte Niedermoore als maßgebliche Treibhausgasquellen dringend im Landschaftswasserhaushalt zu sanieren. Die Errichtung im Niedermoor würde die zukünftig erforderlichen und dringend gebotenen Anpassungen des Landschaftswasserhaushaltes unmöglich machen. Dies kann nicht im öffentlichen Interesse liegen und widerspricht dem Anliegen des Konzeptes zum Schutz und Erhalt der Moore in Mecklenburg-Vorpommern. Eine Wiedervernässung der Moore ist auf solch überbauten Flächen nicht mehr möglich. Zusätzlich dient der Schutz und Erhalt von noch intakten bzw. entwicklungsfähigen Niedermoorbereichen zur Bewahrung bzw. der Wiederherstellung der einst typischen Artenvielfalt an wildlebenden Pflanzen und Tieren und ihrer Lebensräume im Sinne der Umsetzung der Nationalen Strategie der Bundesregierung zum Erhalt der biologischen Vielfalt bei.

Nach Succow & Joosten (2001) sind Moore Landschaften, in denen Torf gebildet wird oder Torf oberflächig ansteht. Ein Moorboden ist ein wassergesättigter Boden, der aus Torf besteht. Die Torfauflage muss mindestens 30 cm mächtig sein. In der Bodenkundlichen Kartieranleitung (Ad-hoc-AG Boden 2005) werden Böden aus Torfen (≥ 30 Masse-% organischer Substanz) von ≥ 3 Dezimeter Mächtigkeit als Moor bezeichnet.

Somit ist bei einem Vorhaben auf Moorflächen ein Nachweis des Bodenprofiles zu erbringen. Dazu sind Bohruntersuchungen durchzuführen. Eine ausführliche Konzeptbeschreibung sowie Details zur Umsetzung sind vorab mit dem StALU VP, Dezernat 45 abzustimmen. Stellt sich bei der Untersuchung heraus, dass es sich am Standort um Moorboden mit der entsprechend definierten Torfmächtigkeit handelt, ist aus naturschutzrechtlicher Sicht die Genehmigungsfähigkeit nicht gegeben. Eine Möglichkeit wäre hier die Prüfung einer alternativen Zuwegung bzw. ein alternativer WEA-Standort.

 

Hinweis zu Repowering Vorhaben:

Der Umfang der artenschutzrechtlichen Prüfung wird durch das Änderungsgenehmigungsverfahren nach § 16b Absatz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nicht berührt (§ 45c Abs. 2 S. 1 BNatSchG). Somit erfolgt der Umfang der artenschutzrechtlichen Prüfung weiterhin nach §§ 44, 45b BNatSchG.

Eine Modifikation gilt nur hinsichtlich § 45c Abs. 2 S. 2 BNatSchG, d.h. der Auswirkungen der zu ersetzenden Anlage. Nach aktueller Literaturansicht ist hiermit gemeint, dass der zu erwartende Rückbau in die Prüfung als ggf. Entlastungsfaktor mit eingepreist werden soll (Landmann/Rohmer UmweltR/Gellermann, 100. EL Januar 2023, BNatSchG § 45c Rn. 5 mwN). Es ist zu prüfen, ob eine artenschutzrechtliche Prüfung zur damaligen Genehmigung stattgefunden hat; sich die Abstände ändern; sich die Faktoren ändern die Einfluss auf die artenschutzrechtlichen Maßnahmen haben können (Höhe der WEA, Länge der Rotoren, etc.). Die Aufzählung ist dabei nicht abschließend (Wortlaut „insbesondere“). § 45c BNatSchG war früher in § 16b Abs. 4 BImSchG bereits geregelt und wurde der Übersicht halber ins BNatSchG übertragen und erweitert. Es ist daher im Kern keine neue Vorschrift. Der:die Genehmigungsinhaber:in der zurückzubauenden WEA muss auch Antragssteller:in der neuen WEA sein.

Nach dem Landschaftsbilderlass kann der Rückbau der alten WEA anerkannt werden, solange keine Rückbauverpflichtung für diese besteht oder die damaligen realen Kompensationsmaßnahmen (Pflanzungen/Ökokonten) für den Eingriff ins Landschaftsbild übertragen werden sollen. Eine doppelte Anrechnung ist nicht möglich. Eine Umrechnung einer realen Maßnahme in einen monetären Wert für die Landschaftsbildbewertung nach dem Landschaftsbilderlass ist nicht möglich.

Die Entsiegelung der alten Anlage kann nach HzE nur in Verbindung mit einer anderen Kompensationsmaßnahme anerkannt werden. Sprich die Kompensationsmaßnahme muss auf der entsiegelten Fläche erbracht werden.

Bei der Anerkennung von alten Kompensationsmaßnahmen (Eingriffsregelung) für die neue Anlage, ist es nötig, dass die Alt-Maßnahme die der HzE entspricht. Ist dies nicht der Fall, kann diese nicht anerkannt werden. Abweichungen hiervon sind nicht möglich. Auch eine Anerkennung eines geschützten Biotopes ist nicht möglich, da die Unterhaltung und Pflege der Maßnahme gesetzlich festgesetzt ist und nicht im Rahmen des Vorhabens aufrechtzuerhalten wäre. Wenn eine Alt-Maßnahme anerkannt wird ist es nötig die Dienstbarkeit auf das StALU VP auszustellen und diese entsprechend zu verlängern (falls befristet).

 

Umstellung auf § 6 WindBG:

§ 6 Abs. 1 WindBG setzt im Anwendungsbereich voraus, dass der Standort des beantragten Vorhabens zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung in einem ausgewiesenen Windeignungsgebiet nach § 2 Nr. 1 WindBG liegt. Gleichzeitig hat die Festlegung von Windeignungsgebieten im Rahmen der Zweiten Änderung des Regionalen Raumentwicklungsprogramms Vorpommern Ausschlusswirkung für Windenergievorhaben außerhalb von diesen Gebieten.

Mit Gültigkeit ab dem 18.10.2023 ist die Landesverordnung zur Feststellung der Zweiten Änderung des Regionalen Raumentwicklungsprogramms Vorpommern (2. Änd. RREP VP-LVO M-V) vom 30. September 2023 verabschiedet worden. Diese legt für den Raum Vorpommern verbindlich Windeignungsgebiete fest. Gemäß § 6 Abs. 2 WindBG werden damit Neuanträge ab dem 29.03.2023 automatisch nach § 6 Abs. 1 WindBG geprüft und bewertet. Altanträge können mit formlosem Antrag umgestellt werden. Durch § 6 WindBG wurde die EU-Notfallverordnung ins nationale Recht implementiert. Da die EU-Notfallverordnung bis zum 30.06.2024 befristet ist, gilt gleiches auch für § 6 WindBG. Die EU-Notfallverordnung ist daher nach aktuellem Stand eine Zwischenlösung, bis die EU-Richtlinie RED III novelliert und in nationales Recht umgesetzt ist.

§ 6 WindBG findet Anwendung, soweit für das ausgewiesene WEG eine Umweltprüfung nach § 8 ROG oder § 2 Abs. 4 BauGB durchgeführt wurde. Bei Bauleitplänen mit Ausweisung vor 2004 wurde keine SUP durchgeführt, daher kann § 6 WindBG hier nicht angewendet werden. Bei Bauleitplänen mit Ausweisung zwischen 2004 und 2006 wurde ggf. eine SUP durchgeführt. Bei der Ausweisung von WEG durch das ROG wurde bis Mitte 2006 keine SUP durchgeführt. Erst ab Juli 2006 wurden in der Raumordnung und in Bauleitplänen die SUP verpflichtend. Das WindBG fordert lediglich in formaler Hinsicht die Durchführung einer Umweltprüfung nach § 8 ROG oder § 2 Abs.4 BauGB. Aus § 6 WindBG ergeben sich keine erhöhten Anforderungen an die Umweltprüfung im Rahmen der Regional- und Bauleitplanung. Materielle Anforderungen an die Durchführung werden nicht gestellt. Ob und wie intensiv das Artenschutzrecht bei der Planungsausweisung geprüft wird, ist daher für die Anwendbarkeit des § 6 WindBG nicht von Bedeutung. Der Umfang und Detailgrad der Prüfung ist vom Träger der Raumordnungsplanung bzw. der Gemeinde zu bestimmen. Die Genehmigungsbehörde hat die Qualität und Prüfungstiefe der im Rahmen des Planungsverfahrens durchgeführten Umweltprüfung nicht zu prüfen.

 

Zumutbarkeitsberechnung nach §45b BNatSchG und §6 WindBG

Mit der 4ten Änderung des BNatSchG wurde die sogenannte Zumutbarkeitsschwelle eingeführt (§45b Abs.6 und 9 BNatSchG), die dafür sorgen soll, dass die Beauflagung der artenschutzrechtlichen Maßnahmen für die WEA-Betreiber:innen verhältnismäßig bleibt (maximaler Ertragsverlust von 6 % bzw. 8%). Mit der Einführung des § 6 WindBG wurde diese Zumutbarkeitsgrenze etwas erhöht (6,3 % bzw. 8,3 %), da baubedingte Eingriffe mitberücksichtigt werden (BMUV 2023 S.14).

Die Zumutbarkeit ist nur durchzuführen, wenn für die Betroffenheit von Vogelarten betriebsmindernde Maßnahmen (AKS, phänologiebedingte Abschaltungen oder Abschaltungen bei landwirtschaftlichen Betriebsereignissen) beauflagt werden. Die Zumutbarkeitsberechnung wird bei der Prüfung durch §45b BNatSchG von der antragstellenden Person berechnet und bei der zuständigen Naturschutzbehörde eingereicht. Bei der Prüfung durch §& WindBG wird die Zumutbarkeit durch die Behörde geprüft, von der Antragsstellenden Person ist nur ein Ertragsgutachten einzureichen.

Bezugnehmend auf Anlage 2 zu Abs. 6 und 9 des § 45b BNatSchG, in Kombination mit §6 WindBG muss ein Ertragsgutachten (für jede WEA einzeln) bei der zuständigen Naturschutzbehörde eingereicht werden. Zum Ertragsgutachten gehören folgende Angaben:

  • Gütefaktor (Gutachten zum Standortertrag) [%]
  • Zumutbarkeitsschwelle (Zum) [%]
  • Elektrische Leistung WEA (P) [MW]
  • Anzahl der Vollbenutzungsstunden (VBH) [h]
  • die drei letzten veröffentlichten Ausschreibungsergebnisse der BNetzA (Referenzpunkt: Datum der Antragsstellung) [ct/kWh]
  • voraussichtliche bau- und betriebsbedingte Investitionskosten (genau aufgeschlüsselt nach Planung, Pachtung, Ausführung und Überwachung)
  • Aufzählung Flurstücke, Beschreibung des Bewirtschaftungsregimes (Mahd, Ernte und Pflugvorgang) sowie des Nutzungstypen (Bsp. intensiv/extensiv; Acker/Grünland/Brache) für die Berechnung der Abschaltung bei landwirtschaftlichen Betriebsereignissen

Die Berechnung erfolgt für beide Gesetzesgrundlagen nach dem Tool von FA Wind an Land (Wichtig! Es gibt jeweils eins für §45b BNatSchG und §6 WindBG). Wesentliche Unterschiede ergeben sich dadurch, dass beim §45b BNatSchG baubedingte Investitionskosten und Maßnahmen nicht mit einberechnet werden und beim §6 WindBG der Basisschutz entfällt.

Beispiele anrechenbarer Investitionskosten:

  • ÖBB für den Bauzeitraum (nur bei §6 WindBG)
  • CEF-Maßnahmen, Vermeidungsmaßnahmen
  • Lerchenfenster (Ertragsverlust)
  • Technik AKS
  • Technik Fledermausmodul

Beispiele nicht anrechenbarer Investitionskosten:

  • 2-jähriges Fledermausmonitoring
  • nachträglich angeordneten Maßnahmen (nach Genehmigungserhalt)
  • Antragskosten
  • Anwaltskosten
  • Gutachterkosten für die Antragsstellung
  • Maßnahme Mastfußgestaltung
  • Jahresentgeld Windparkmanager:in
  • Bauzeitenregelung
  • Rückschnitt/Fällung von Gehölzen
  • Kompensationsmaßnahmen der Eingriffsregelung
  • Vermeidungsmaßnahmen der Eingriffsregelung

Weiterführende Informationen

Handout naturschutzfachliche Prüfungsunterlagen Windkraft

Hinweis digitale Datenübergabe

Eine zeiteffiziente Prüfung des Genehmigungsantrages setzt gute Datengrundlagen und ausreichend dargestellte Unterlagen voraus. Oftmals sind erhaltene Unterlagen durch mangelhaften Druck, unzureichenden Kartenmaßstab oder als schlecht aufgelöste PDF-Datei unzureichend bewertbar bis nicht verwendbar. Entsprechend werden diese Unterlagen regelmäßig nachgefordert und verzögern den Genehmigungsprozess. In der Regel arbeiten sowohl die Vorhabenträger*innen als auch die Behörden mit kompatiblen geographischen Informationssystemen. Die Unterlagen können somit für einen schnellen Datenabgleich und damit eine effizientere Prüfung der Genehmigungsunterlagen in folgenden Formaten zusätzlich zu den analogen Dokumenten übergeben werden:

Verortung im amtlichen Bezugssystem ETRS 89 UTMZone 33N, EPSG 5650

Übergabe der Planungs- und Rohdaten:

Unterlage/Datenbestände

Format

Anforderung

Avifaunistische Untersuchungen

.gpkg, .shp

ETRS_UTM33 / EPSG 25833

Chiropterarische Untersuchungen

.gpkg, .shp

ETRS_UTM33 / EPSG 25833

Übersichtsplan des Bauvorhabens (inkl. Standort der WEA + Wege und Flächen + Gebäude)

.dxf

ETRS_UTM33 / EPSG 25833 DHHN2016

 

Empfohlene Leitfäden zu §45b BNatSchG

FA Wind (2022): Kurzinformation „Artenschutzrechtliche Zumutbarkeit und Höhe der Zahlung bei Ausnahme für Windenergieanlagen – Anwendungshilfe zur Anlage 2 Bundesnaturschutzgesetz. Fachagentur Windenergie an Land.

FA Wind (2023): Maximalwerte für Abschaltmaßnahmen für den Artenschutz. Fachagentur Windenergie an Land.

FA Wind (2023): Rechentool zur Anlage 2 BNatSchG. Version 1.1. Fachagentur Windenergie an Land.

UNB VG (2022): Beurteilung artenschutzrechtlicher Schädigungs- und Störungsverbote bei für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen bei kollisionsgefährdeten Brutvögel entsprechend BNatSchG vom 20.07.2022. Entwurfsstand vom 22.12.22

Empfohlene Leitfäden zu §6 WindBG

BMWK (2023): Arbeitshilfe zum Vollzug des Gesetzes zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land (sog. Wind-an-Land-Gesetz) (Arbeitshilfe Wind-an-Land). Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Fachkommission Städtebau und Ausschuss für Recht und Verfahren der Ministerkonferenz für Raumordnung.

BMWK (2023): Vollzugsempfehlung zu §6 WindBG. Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. 19.07.2023.

FA Wind (2023): Rechentool zu §6 WindBG. Version W1.0. Fachagentur Windenergie an Land.

FA Wind (2023): Maximalwerte für Abschaltmaßnahmen für den Artenschutz. Fachagentur Windenergie an Land.

Wulfert, K., Vaut, L., Köstermeyer, H., Blew, J., Lau, M. (2023): Artenschutz und Windenergieausbau. Anordnung von Minderungsmaßnahmen bei der Genehmigung von WEA in Windenergiegebieten, die den Voraussetzungen des §6 WindBG entsprechen. Erarbeitet im Rahmen des BfN F+E-Vorhabens „Artenschutz und Windenergieausbau an Land- Neuregelung des BNatSchG“ – Handout Bund/Länder-Workshop am 06.07.2023. 2. Fassung vom 21.09.2023.