Wasserbauten zum Nutzen der Natur - die Fischaufstiegshilfe

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Fischaufstiegshilfe an der Linde

Fischaufstiegshilfe an der Linde

Fischaufstiegshilfe an der Linde

Die Lebensgemeinschaften der Fließgewässer werden entsprechend durch die Wanderungsbewegungen der in ihnen vorkommenden Organismen geprägt. Die ökologische Notwendigkeit der Fließgewässervernetzung ist heute unbestritten. Es werden in verstärktem Maße Fischaufstiegsanlagen errichtet. Es gibt für diese Anlagen auch noch andere Begriffe wie Fischtreppen oder Fischpässe. Wir, in unserem Bereich sagen grundsätzlich Fischaufstiegshilfe.

Über die Durchgängigkeit der Gewässer wird in vielen Gesetzen wie der EU-Wasserrahmenrichtlinie, in den Landeswassergesetzen und auch im Fischereigesetz geschrieben. Im Fischereigesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern im § 22 - Fischwege in Fließgewässern - heißt es:

Abs. 1: "Wer Absperrbauwerke oder andere bauliche Anlagen, die den Wechsel der Fische verhindern oder erheblich beeinträchtigen, in einem Gewässer errichtet, muss auf seine Kosten geeignete und ausreichende Fischaufstiegs- und -abstiegshilfen (Fischwege) anlegen, unterhalten sowie ganzjährig offen und betriebsfähig halten."

Wir wollen jedoch bei unseren baulichen Anlagen nicht nur für Fische, sondern auch für Evertebraten (Wirbellose) die Möglichkeit der Wanderung schaffen. Bedingt durch wasserbauliche Maßnahmen, die den Wasserlauf queren wie Schleusen, Wehre oder auch Energiegewinnungsanlagen, hat auch derjenige für die Durchgängigkeit des Gewässersystems zu sorgen, der diese Querbauwerke in Auftrag gibt. Durch die EU-Wasserrahmenrichtlinie wird eine Kontinuität der Fließgewässer gefordert. Die Rechtfertigung dieser Forderung ist nicht zuletzt in der Wiederausbreitung anadromer Arten wie Meerforelle, Fluss- und Meerneunauge sowie in den zunehmenden Erfolgen einer Wiederansiedlung des Lachses zu sehen.

Die Beeinflussung der Fließgewässer durch den Menschen, besonders durch den Bau von Querbauwerken, behindert entscheidend die Organismen in ihrem Wandertrieb. Mit Beginn der Industrialisierung waren die Auswirkungen des Ausbaus der Flüsse und andere Faktoren wie auch die Gewässerverschmutzung so gravierend, dass zunehmend die Wanderfische aus deutschen Gewässern verschwanden bzw. sehr stark in ihren Arten bedroht waren.

In der EU-Wasserrahmenrichtlinie wird die Durchgängigkeit der Gewässer als ein Merkmal des guten ökologischen Zustandes genannt. Es gibt eine große Anzahl von Fischaufstiegshilfen, die auch von Kleinlebewesen durchwandert werden können. Fischaufstiegshilfen sind komplizierte Bauwerke, die ein gutes Projekt voraussetzen, wenn sie funktionieren sollen. Mit ihnen werden ursprünglich vernetzte Fließgewässer bzw. -abschnitte wieder verbunden. Fische sowie andere aquatische Organismen mit größeren Raumansprüchen besiedeln wieder große Gewässerstrecken.

In den zurückliegenden Jahren wurden sehr oft Staubauwerke errichtet ohne die zugehörigen Fischaufstiegsanlagen, obwohl diese Wanderhilfen für den Fisch schon eine mehr als 100-jährige Tradition haben. Oft wurde aus finanziellen Gründen auf den Bau einer Fischaufstiegshilfe verzichtet. Die ganzheitliche ökologische Betrachtung hat sich heute aber durchgesetzt, so dass nicht nur bei Neubauten im Gewässer bzw. bei Rekonstruktion alter Querbauwerke Fischaufstiegsanlagen wieder gebaut werden.

Zu den wichtigsten Aufstiegsanlagen gehören der Raugerinnebeckenpass, der Schlitzpass, die Sohlgleiten, der Tümpelpass und der Denil-Pass. In Mecklenburg-Vorpommern wird vorwiegend der Raugerinnebeckenpass eingesetzt. Er hat sich bisher sehr gut bewährt und ist am besten durchkonstruiert.

Bei der Bemessung der Fischaufstiegshilfe spielt die Leistungsgrenze der Fischarten im Gewässer eine wesentliche Rolle. So ist für die Bemessung Voraussetzung, welche Fischarten in dem betreffenden Gewässerabschnitt wandern. In der technischen Bemessung des Bauwerkes spielen folgende Parameter eine sehr große Rolle:

  • die Neigung des Geländes
  • die Fließgeschwindigkeit in Engstellen
  • die Höhe der Abstürze in den einzelnen Becken
  • die Durchgängigkeit des natürlichen Sohlsubstrates
  • der Aufbau des Sohlsubstrates in den einzelnen Becken
  • die Beschattung und
  • das Einfügen in das Landschaftsbild

Sehr wesentlich ist auch die Anordnung des Ein- und Auslaufbereiches sowie die Lockströmung im Auslaufbereich. Das beste Bauwerk funktioniert nicht, wenn die Lockströmung im unteren Bereich der Anlage nicht groß genug ist, so dass die Fische im Hauptgewässer weiterwandern und dann wie vor einer Wand stehen und nicht weiterwandern können, da hier ein Querbauwerk in Form einer Wehranlage steht.

Nach der Errichtung einer Fischaufstiegsanlage ist eine Funktionskontrolle der Anlage erforderlich.. Bei dieser Funktionskontrolle werden alle Parameter, die notwendig sind, noch einmal überprüft wie die Anordnung und Größe der Lockströmung, die Wassergeschwindigkeiten in den Becken und den Übergangszonen, die Ruhezonen im Becken, Sohlsubstratausbildung und nicht zuletzt die Kontrolle der wandernden Fische durch Aufstellen von Reusen. Die Fangergebnisse in den Reusen sollten möglichst täglich kontrolliert werden. Die Fische werden vermessen, bestimmt und gewogen, so dass die Ergebnisse dokumentiert und dem Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden können. In dem Bericht zur Funktionskontrolle werden auch Hinweise zur Verbesserung - falls notwendig - des technischen Bauwerkes gegeben, um die Effektivität zu erhöhen. Nachbesserungen sind fast in jedem Falle möglich.

Nach 1990 wurden durch das Staatliche Amt für Umwelt und Natur Neubrandenburg 20 Fischaufstiegsanlagen bzw. durchgängige Sohlschwellen in den Gewässern 1. Ordnung gebaut. Hinzukommen noch zahlreiche Fischaufstiegsanlagen in Gewässern 2. Ordnung, deren Bau durch die Wasser- und Bodenverbände veranlasst wurden. Für die nächsten Jahre sind weitere Anlagen in den Gewässern 1. Ordnung geplant, so dass alle Fließgewässer, bei denen es früher eine Durchgängigkeit gab, auch wieder durchgängig gemacht werden.

Informationen zur Abbildung:

Die Linde ist ein Gewässer 1.Ordnung und dem Land zugeordnet. Sie hat ein Einzugsgebiet von 153 km². Der Wasserlauf teilt sich an der Stadtgrenze zu Neubrandenburg in den Gätenbach und den Lindebach. Kurz nach der Teilung befand sich ein Wehr im Lindebach. Dieses Bauwerk war sanierungsbedürftig. Diese Tatsache nahmen wir zum Anlass, mit einer Fischaufstiegshilfe (FAH) die Durchlassfähigkeit des Wasserlaufes zu verbessern. Den Fischen und Evertebraten ist es nun möglich, den Aufstieg vom Oberbach (Tollensesee) über den Lindebach und Linde bis oberhalb Burg Stargard in die Seenkette Teschendorf/Cammin zu vollziehen.